Category Archives: Jochen Robes

14Okt/20

Fünf Thesen zur Zukunft des Lernens

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Heute bildete „Learning & Training“ den Schwerpunkt auf der ZPE Virtual, der virtuellen Zukunft Personal (über meinen Part als Mitglied des Expertenrats werde ich noch an anderer Stelle schreiben). Die fünf Thesen wurden von Anja Schmitz (Hochschule Pforzheim) und Pivi Scamperle (Schaeffler), stellvertretend für einen ZP ThinkTank, vorgestellt und leiteten so Tag und Schwerpunkt gewissermaßen ein.

Die Thesen sind hier auf den Seiten von Haufe nachzulesen. Sie unterstreichen aktuelle Veränderungen des Lernens und wollen aufzeigen, wohin sich die Reise entwickelt („Lernen 2025“):
1. Digital wird zum “New Normal” und die physische Präsenz wird zur begründeten Ausnahme.
2. Evidenzbasiertes Lernen wird aufgrund der breiten Datenverfügbarkeit zunehmen und die Implementierung wird gesellschaftlich kontrovers diskutiert.
3. Technologie wird in dem Maße den Lernprozess steuern, wie Menschen nicht bereit sind, Eigenverantwortung zu übernehmen.
4. Lernen wird strategisch bedeutsam und beeinflusst das Business-Outcome unmittelbar.
5. Umgang mit der Heterogenität der Lernenden wird zur wirklich, wirklich, bedeutsamen Aufgabe.“

Anja Schmitz unterstreicht im Artikel (und im heutigen Vortrag) sehr schön, dass diese Thesen nicht „gradlinig“ gelesen werden dürfen und sowohl Chancen wie auch Risiken enthalten. An einem Beispiel möchte ich diesen Hinweis unterstreichen:

Das „evidenzbasierte Lernen“ wird hier vor allem auf die Analyse und Nutzung von Daten und Datenspuren bezogen, die heute verstärkt im Rahmen von netzbasierten Lernaktivitäten anfallen. Wenn wir unter Lernen aber die Entwicklung von Menschen mit dem Ziel verstehen, selbstorganisiert in offenen, zukünftigen Situationen zu handeln, wenn wir an Kompetenzen wie Kreativität, Neugierde oder Resilienz denken, dann bin ich etwas unsicher, wie weit „evidenzbasiertes Lernen“ hier greift. Oder ob es hier nicht mehr um die Optimierung und Personalisierung von Lernprozessen und Lernangeboten geht.

Und die dritte These, aber das nur am Rande, ist etwas unglücklich formuliert.
Anja Schmitz, Haufe.de, 14. Oktober 2020    

 

13Okt/20

5 Questions about EDUPUNK

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Edupunk, wie Jim Groom erklärt, war eine Graswurzelbewegung, entstanden um 2008, als die großen, kommerziellen Learning Management Systeme begannen, Wikis und Blogs zu integrieren und diesen Schritt als „Lernen 2.0“ zu verkaufen. Das brachte eine kleine Riege wahrer Edu-Blogger auf den Plan. Als dann kurze Zeit später MOOCs die Bühne betraten, geriet Edupunk wieder in Vergessenheit. Aber nicht ganz. Denn jetzt wurde Jim Groom, einer der Edupunk-Väter, gebeten, fünf Fragen zur Bewegung zu beantworten. Seine Antworten gibt es als Video, und in diesem Blogpost schildert er auch gleich noch das technische Setting seiner Videoproduktion. Aber da hat er mich schnell abgehängt.
Jim Groom, bavatuesdays, 10. Oktober 2020

12Okt/20

Experimentieren mit Remote: Voller Vielfalt zu einer neuen Lernkultur

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Es klingt nach einem großen, internen BarCamp, auch wenn der Begriff nicht fällt: „Die Otto Group hat jetzt erstmals die Remote Learning Days veranstaltet, um Kolleg*innen innerhalb des Konzerns zu vernetzen, von- und miteinander lernen zu lassen.“ Stichworte, die im Artikel fallen: Lernkultur, Integration von Arbeiten und Lernen, Lebenslanges Lernen.

Zwei Aspekte der „Remote Learning Days“ werden hervorgehoben: a) Selbstorganisation: „An zwei Tagen Mitte September 2020 trafen sich mehr als 900 Kolleg*innen aus insgesamt 22 Konzernunternehmen der Otto Group virtuell, um ihr Wissen miteinander zu teilen, um sich zu vernetzen und gemeinsam besser zu werden. All diese unterschiedlichen Menschen aus verschiedenen Ländern der Welt zusammenzubringen, war eine Idee, die eine Gruppe von Mitarbeiter*innen selbstorganisiert in die Tat umgesetzt hat.“

b) Experimentieren: „Eine Blaupause für die Remote Learning Days gab es nicht.“ Also „Learning Days“ im doppelten Sinn!
Kathrin-Luise Fiesel, Zukunft der Arbeit/ Bertelsmann Stiftung, 30. September 2020

Bildquelle: Standsome Worklifestyle (Unsplash)

12Okt/20

Behaviorism Won

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

„10 Minuten Lesezeit“ heißt es auf dem Screen: Audrey Watters über den Behaviorism. In medienpädagogischen Lehrbüchern markiert er eine historische Station, eng verbunden mit dem Namen B. F. Skinner und „abgelöst“ durch Kognitivismus und Konstruktivismus. Nicht so voreilig, meint Audrey Watters und zieht Verbindungen zu „personalized learning“, zu EdTech, KI und Algorithmen, zu Social Technologies und Facebook.

„Thorndike won, and Dewey lost. You can’t understand the history of education unless you realize this. I don’t think you can understand the history of education technology without realizing this either. And I’d go one step further: you cannot understand the history of education technology in the United States during the twentieth century – and on into the twenty-first – unless you realize that Seymour Papert lost and B. F. Skinner won.“
Audrey Watters, Hack Education, 8. Oktober 2020

Bildquelle: Audrey Watters

09Okt/20

Ein „Netflix“ für die Online-Bildung? Brauchen wir in Deutschland „eine bundesweite Bildungsplattform für alle“ – und wie könnte diese aussehen?

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Gleich vorweg: Der Artikel lässt mich mit vielen Fragezeichen zurück! Als ich die ersten Zeilen über die verschiedenen aktuellen „Initiativen für Bildungsplattformen“ gelesen habe, habe ich eine kleine Kritik einer fehlgeleiteten Bildungspolitik erwartet. Auch die folgende Aufzählung der Herausforderungen, die mit dem hiesigen Bildungssystem und -markt verknüpft sind, haben mich noch in dieser Lesart bestärkt. 

Aber dann schlagen die Autoren, Ulrich Schmid und Volker Zimmermann, denen ich nach vielen gemeinsamen Begegnungen und Projekten freundschaftlich verbunden bin, einen anderen Weg ein:
„Angesichts dieser Voraussetzungen ist natürlich zu fragen, ob es überhaupt gelingen kann, ein gemeinsames Bildungsportal zu etablieren, das allen Interessierten einen möglichst einfachen und umfassenden Zugang zur Welt des Online-Lernens ermöglicht? Aus unserer Sicht heißt die Antwort: Ja.“

Nun wurde ja im ersten Teil des Artikels von den Autoren aufgezählt, was gegen eine solche Idee einer Bildungscloud spricht: von der „immensen Heterogenität an Formaten und Angeboten“ ist die Rede, von der „Entgrenzung der formalen Bildung“, vom „Bildungsföderalismus“. Ergänzen möchte ich noch eine Herausforderung, die nicht aufgezählt wird, aber 2020 vielleicht doch erwähnt werden sollte: Wie sinnvoll ist überhaupt eine nationale deutsche Lösung? LinkedIn Learning lässt grüßen.

Vor diesem Hintergrund formulieren Ulrich Schmid und Volker Zimmermann ihre Idee sehr vorsichtig, sprechen vom Modell „Amazon“, das sie dem Modell „Netflix“ vorziehen, und davon, „dass es sich im Kern um eine Transaktionsplattfom für Bildung und Wissen handelt – wobei das eigentliche Lernen in anderen, externen Anwendungen stattfindet“. Das soll gewährleisten, dass „die Eigenständigkeit, Dezentralität und Heterogenität etablierter Bildungsanbieter und Plattformen nicht angetastet“ wird.

Aber dann gehen sie doch wieder einen Schritt weiter, dann soll die zukünftige Bildungscloud doch wieder mehr leisten, soll mit Hilfe künstlicher Intelligenz Kompetenzen automatisch einstufen und prüfen, Empfehlungen, Tests und Lernangebote bereitstellen, und Einiges mehr. Natürlich, und hier spätestens hört die Linksammlung auf, braucht es dafür „Standards“, braucht es „Service-, Sicherheits- und Qualitätskriterien“ sowie die „Gewährleistung rechtlicher und geschäftlicher Standards und Einhaltung entsprechender Regeln und Prozesse“.

Doch woher kommen diese Regeln und Prozesse? Soll schon der Entwicklungs- und Gestaltungsprozess einer Bildungscloud die Heterogenität und Vielfalt der Bildungslandschaft abbilden, dann wird das ein Lebenswerk. Oder holt man sich lieber eine Handvoll gestandener Bildungsanbieter an den Tisch und legt fest, was in die Bildungscloud darf bzw. was Bildungsangebote sind?

Zusammengefasst: Die Bedeutung von Investitionen in Bildung und Weiterbildung steht hier nicht in Frage. Doch Bildung und Lernen wird man nicht in einer Bildungscloud abbilden können, ohne ihre Offenheit einzugrenzen. Sind dann die Bildung und das Bildungsangebot „nebenan“ im Netz schlechter?

Es gibt genügend Spielfelder im Bildungs- und Weiterbildungsbereich, die auf Investitionen, Innovationen und Engagement warten. Auch Plattformen und Serviceangebote in einzelnen Bereichen gehören sicher dazu. Förderprogramme für EdTechs. Anlaufstellen für Bildungshungrige. Kampagnen. Dritte Orte und Lernräume. Aber ein „bundesweites Bildungsportal“?
Ulrich Schmid und Volker Zimmermann, LinkedIn, 7. Oktober 2020

Bildquelle: energepic.com (Pexels)     

02Okt/20

Agiles Lernen im Unternehmen

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Wenn ich heute von „agilem Lernen“ lese oder höre, werde ich neugierig und frage mich: Steht „agiles Lernen“ hier als Schlagwort stellvertretend für „new learning & new work“ oder steckt dahinter eine konkrete Methode, so etwas wie „Scrum fürs Lernen“? In diesen Tagen ist nun ein Buch zum Thema erschienen und damit wieder die Möglichkeit, eine Antwort auf meine Frage zu finden. Und um ein Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: Das Pendel schlägt in Richtung Methode und damit „Scrum fürs Lernen“ aus.

Aber der Reihe nach. Das Buch „Agiles Lernen im Unternehmen“ fasst die Erfahrungen aus verschiedenen Forschungs- und Förderprojekten zusammen, an denen unter anderem das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO Stuttgart, das TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen der Universität Ulm und die Beuth Hochschule für Technik Berlin mitgewirkt haben. Es ist als Open-Access-Publikation bei Springer erschienen.

Das Buch hat eine klare Struktur: Zwei Kapitel führen in die Methode und das Format „Agiles Lernen“ ein. Dann folgen sieben betriebliche Umsetzungen. Und dann noch sechs Kapitel, die sich „übergreifenden Themen“ widmen – von den organisationalen Rahmenbedingungen bis zur Frage nach der „Zukunft des agilen Lernens in der wissenschaftlichen Weiterbildung“. Eingebettet sind Buch und Konzept in die bekannten gesellschaftlichen Entwicklungen (VUCA) und die sich daraus ergebenden Anforderungen an neue Formen des Lernens – nämlich „Lernangebote, die ein Abbild der Arbeitswelt der Zukunft darstellen“ (S.17).

Was habe ich aus der Lektüre mitgenommen?

1) Agiles Lernen wird hier als „didaktisches Rahmenkonzept“ verstanden, das sich methodisch bei Scrum, einem Arbeitskonzept aus der Softwareentwicklung, bedient. Das darf durchaus sehr konkret verstanden werden und schließt Prinzipien, Abläufe (Zyklen von Planung, Etappen, Reviews und Retrospektives), Rollen (Lernteam, Auftraggeber, fachliche und methodische Begleitung) sowie zentrale Instrumente (Lernaufgaben und Kanban-Board) ein.

Einerseits gibt „agiles Lernen“ also eine sehr formale, sehr aufwändige Struktur für entsprechende Lernprozesse vor. Andererseits sind Selbststeuerung und „Lernfreiräume“ zentrale Säulen dieses Konzepts. Also: arbeitsintegriert, praxisorientiert: ja; selbstorganisiert und informell: eher nein … 

 

2) Die betrieblichen Beispiele, in denen „agiles Lernen“ erprobt wurde, sind speziell und heterogen. Verschiedene Branchen, unterschiedliche Zielgruppen, wechselnde Lernziele und Themen, mal umfassen die Lernprojekte wenige Wochen, mal zwei Jahre. Kurze Steckbriefe, Schaubilder, aber vor allem die wiederkehrenden Begrifflichkeiten, Rollenzuschreibungen und Prozessschritte bieten einen roten Faden über alle Projekte hinweg. 

Was auffällt: Da sich „agiles Lernen“ konsequent an den Arbeitsprozessen und -anforderungen der Unternehmen ausrichtet, liegen hier auch die größten Schwierigkeiten in der Umsetzung: Wechselnde Arbeitsbedingungen, Arbeitsbelastungen und Prioritäten beeinflussen agile Lernprozesse noch unmittelbarer als die Lernprozesse in klassischen Bildungsformaten.     

3) Die AutorInnen betonen, dass agiles Lernen „eine von vielen möglichen Lernformen“ (S. 101) darstellt. Es muss zum Unternehmen, zur Zielgruppe und zum Thema passen. Geht da noch mehr, könnte man sich fragen? „Agiles Lernen“ als Vision oder Zielbild der Lernenden Organisation? So mutig sind die AutorInnen (noch) nicht, sondern fragen eher nach der sinnvollen Einbettung des Konzepts in die interne Weiterbildung (S. 96).

Abschließend: Was „agiles Lernen“ für mich von anderen Lernkonzepten abhebt, ist die Ausrichtung auf konkrete Arbeitsaufgaben und den Erwerb von Handlungskompetenz, auf iterative Lernschritte sowie auf fortwährende Reflexion erlebter Erfahrungen. Auf der anderen Seite sind es hochstrukturierte, aufwändige Prozesse, die sehr eng mit einer bestimmten Form des Arbeitshandelns verbunden sind. Aber das Buch wird sicher nicht das letzte zum Thema sein …
Jörg Longmuß, Gabriele Korge, Agnes Bauer und Benjamin Höhne (Hrsg.), Berlin: Springer, 2021

       

02Okt/20

Forscher fordern neues Verständnis von Lernen – jenseits von Abschlüssen

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

40 renommierte BildungsforscherInnen haben diese Woche ein Manifest unterzeichnet und plädieren darin für eine Idee von „New Learning“. Einen Namen hat es auch schon: „Hagener Manifest zu New Learning“. Es kommt unter anderem mit folgenden Empfehlungen daher:

„- die offensive Hinwendung zu einer aktuellen digitalen Ausstattung von Schulen und Hochschulen …,
– eine deutlich verbesserte berufsbegleitende Weiterbildung für Lehrende …
– den radikalen Perspektivwechsel weg vom Lehrenden hin zum Lernenden: „New Learning“ brauche „persönliche Lernbegleitung und adaptive Lernumgebungen, die sich der Individualität und Diversität der Lernenden anpassen“.“

Ich bin gespannt, ob das „Manifest“ noch Kreise zieht und mit weiteren, konkreten Aktivitäten verknüpft wird. Erst einmal steht es jetzt neben der „Verteidigung der Präsenzlehre“.
Armin Himmelrath, Der Spiegel, 01. Oktober 2020

Bildquelle: FernUniversität in Hagen