Das umfangreiche Special zum Thema Lernmanagement-Systeme (LMS) ist mittlerweile abgeschlossen. e-teaching.org-Redakteur Philip Meyer fasst noch einmal zusammen, was als Quintessenz bleibt.
In den vergangenen Monaten wurden auf e-teaching.org zahlreiche Beispiele für den Einsatz von LMS (was ist das überhaupt?) an Hochschulen zusammengetragen, vor allem in Online-Events und Erfahrungsberichten.
Besucher/innen des Portals erfuhren etwa, warum die Ruhr-Universität Bochum und die ETH Zürich – wie laut einer Umfrage die meisten Hochschulen – auf Moodle setzen, was die Schweizer Pädagogischen Hochschulen in Bern und Zürich sowie die Universität der Bundeswehr München sich von ILIAS versprechen, wieso die Universität Salzburg Blackboard Learn auch nach fünfzehn Jahren noch treu bleibt, und dass man in Rheinland-Pfalz landesweit auf OpenOLAT schwört. Außerdem stellten einige Hochschulen eigens entwickelte LMS-Lösungen vor, wie Learn@WU der WU Wien oder LEA der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Darüber hinaus ging es am Rande auch um stärker spezialisierte Systeme: reflexionsorientierte E-Portfolio-Plattformen wurden am Beispiel der PH Heidelberg im Special berücksichtigt, kompetenzfördernde Videolernumgebungen anhand des Edubreak Campus, der an verschiedenen Hochschulen Einsatz findet, und auf Skalierbarkeit ausgelegte MOOC-Plattformen mit „mooin“ der FH Lübeck.
Die vielen Beispiele verdeutlichen, dass LMS mittlerweile zum Establishment des hochschulischen Technologiearrangements gehören. So denken laut einer laufenden Umfrage (Sagen Sie uns Ihre Meinung!) die meisten e-teaching.org-Nutzenden, dass die Systeme ein wichtiger Bestandteil der universitären Lehre sind und auch in Zukunft bleiben sollten. Was aber macht sie so praktisch?
LMS als „Lernheimat“? Stärken der Systeme
Das LMS vereint die zentralen Funktionen für die Lehre und das Lernen überblicksartig an einem Ort. Es ist im Optimalfall „aus einem Guss“: Lehrende und Lernende müssen sich nicht mit viel Aufwand in Einzelsysteme einarbeiten. Dazu gehört auch, dass nur ein einmaliger Login bzw. ein Passwort benötigt wird.
Es bietet zudem höhere Datenschutzstandards als Tools von externen Anbietern, die unter Umständen umfangreiche Benutzerdaten speichern und weiterverwenden. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass sich LMS-Betreiber um den Datenschutz bemühen. Worauf man im Konkreten achten sollte, stellt der Mitschnitt unseres Online-Events „LMS und Rechtsfragen“ vor.
Die vielleicht größte Stärke des LMS liegt – wie der Name sagt – im Management: Es bietet einen Überblick über Kurse und digitalisierte Studienmaterialien sowie häufig Schnittstellen zu weiteren Systemen der Prüfungs-, Noten- und Raumverwaltung. Außerdem sind speziell lehr- und lernbezogene Funktionen in vielen LMS gut ausgeprägt: Dazu gehören u.a. die Möglichkeiten zur elektronischen Prüfung mit formativen und summativen Assessments oder zur Annotation von Lernmaterialien, wie das z.B. bei den interaktiven Videos in ILIAS der Fall ist, die an der Universität Freiburg entwickelt wurden. In jedem Fall gilt es den Lehrenden zu vermitteln, welche Funktionalitäten sie in welcher Form für ihre Kurse nutzen können. Dafür bietet sich ein E-Tutoren/-innen-Konzept an, wie das der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, welches in einem Erfahrungsbericht ausführlich vorgestellt wurde.
Instruktionale PDF-Schleuern? Kritik an LMS
In der Befragung der e-teaching.org-Community zeichnet sich ab, dass nicht wenige der Meinung sind, dass LMS tendenziell eher instruktionale Lernmodelle unterstützen. Es erfolge nur eine „verzögerte Übernahme von Kollaborations- und Kommunikationsbedürfnissen“. So tun sich LMS-Entwickler/innen schwer, mit der hohen Dynamik im Markt rund um Google, Facebook und Apple Schritt zu halten. Der instruktionale Charakter spiegelt sich auch darin wider, dass der Dokumenten-Upload durch Lehrende eine der am weitesten verbreiteten Online-Lehrtätigkeiten ist, wie eine Erhebung des KIT ergab. Dabei scheinen der e-teaching.org-Erhebung zufolge – anders als noch vor wenigen Jahren – nur wenige Lehrende die Position zu vertreten, dass die Vorab-Bereitstellung von Folien oder Texten die Aufmerksamkeit der Studierenden in Lehrveranstaltungen beeinträchtigt.
„LMS haben oft keine gute Nutzerführung. Die User Experience und damit die Motivation bleiben auf der Strecke.“
(Anonyme/r e-teaching.org-Nutzer/in)
Optisch und Usability-technisch entsprechen LMS teilweise nicht den aktuellen Webstandards. Auch wenn mittlerweile alle Hersteller über Mobil-Apps oder responsive Designs verfügen, sind die Systeme oft noch in einer hierarchischen Baumstruktur verhaftet, die davon ausgeht, dass Benutzer sich von Ordner zu Ordner zum Ziel klicken. Eine Alternative ist beispielsweise der Zugang über ein Suchfeld mit intelligenter Autovervollständigung. Wenn Usability und Design verbessert werden, sollte dies allerdings nicht zu Lasten der Sicherheit gehen: denn Ausfälle zu ungünstigen Zeitpunkten (Prüfungen, Anmeldephasen) und im schlimmsten Fall Datenverluste können unangenehme auch rechtliche Konsequenzen für die betroffenen Hochschulen nach sich ziehen.
Wer also online mit anderen zusammenarbeiten möchte, ist mit speziellen und am jeweiligen Bedarf orientierten Tools unter Umständen besser beraten. Zudem lohnt sich eine Einarbeitung hier häufig über den konkreten Hochschulkontext hinaus, da sich die Tools auch im privaten oder anderen beruflichen Bereich nutzen lassen. Doch auch hier gilt: LMS könnten als „Management-Systeme“ durchaus Schnittstellen bieten, die die Nutzung von Diensten wie Etherpads, Live-Dokumenteneditoren, Cloudsysteme u.a. ermöglichen.
LMS – wo kann die Reise hingehen?
Es gibt kaum jemanden, der an Hochschulen arbeitet und nicht mit Lernmanagementsystemen in irgendeiner Form konfrontiert ist. Die Bedeutung der Systeme nimmt zu, was auch das starke Interesse am e-teaching.org-Special zeigte. Dabei spielt die „Offenheit“ der Systeme zunehmend eine Rolle. Open-Source-LMS werden gerne genutzt und auch die Integration von Mechanismen zur Förderung offener Bildungsressourcen in die Systeme ist ein wachsendes Thema.
„Ideal wären solche, die mobile Endgeräte, kollaboratives Lernen und adaptive Lernpfade unterstützen, und dennoch Datensicherheit und zuverlässiges Tracking bieten.“
(Anonyme/r e-teaching.org-Nutzer/in)
Zu neuen Funktionsanforderungen gibt es häufig unterschiedliche Meinungen. Während sich einige Lehrende beispielsweise Lernanalyse-Möglichkeiten wünschen, sind die Daten der Studierenden für andere ein rotes Tuch. Um herauszufinden, welche Funktionalitäten ausgebaut werden sollten, ist es wünschenswert, die Endnutzerinnen, die Lehrenden und Studierenden, bei der LMS-Entwicklung einzubeziehen. LMS haben die Tendenz zu einer „funktionellen Standardisierung“, wie Klaus Wannermacher (HIS HE) beim Auftaktpodium zum Special feststellte. Damit LMS einen tatsächlichen Nutzen an den jeweiligen Hochschulen erreichen, stehen die Verantwortlichen deshalb vor der Aufgabe, Anpassungen unter der Berücksichtigung lokaler Bedürfnisse vorzunehmen. So geschah dies z.B. bei der Entwicklung der Open-Source MOOC-Plattform mooin der FH Lübeck. Diese beruht zwar auf Moodle, verfolgt mit einem neuen User-Interface-Design aber auch einen didaktischen Ansatz, der die Anpassung von bestehendem Content erfordert.
Letztendlich bleibt die Erkenntnis, dass die Implementation von Lernmanagementsystemen bei weitem nicht nur eine technische Aufgabe ist, sondern Hochschulen dazu bringt, zusammen zu kommen, sich abzustimmen und das eigene Bildungsverständnis zu hinterfragen: Welche impliziten Grundlagen für die Gestaltung der Lehre werden mit LMS geschaffen – und wie passt das zu der Lehre und den Lernräumen, die Hochschulen anbieten wollen?
Alle Beiträge und Online-Events zum Special finden Sie gebündelt auf der Seite des Themenspecials LMS.
Übrigens: Die Umfrage „Was spricht für oder gegen den Einsatz von LMS?“ läuft noch – wer sich noch nicht beteiligt hat: Sagen Sie uns Ihre Meinung.