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24Jul/17

Visuelles Programmieren mit Scratch – nicht nur für Kinder!

Quelle: konzeptblog Autor: jowe

Note for my English readers: You will find an English version of this blog post under Visual Programming with Scratch – not only for kids!

Vorbemerkung: Dies ist die ungekürzte Fassung meines Beitrags zum Buch Scratch Tales. Celebrating 10 Years of Imagining, Prgramming and Sharing with Scratch.

Als Scratch vor 10 Jahren erschien, war dies der Auslöser für ein bemerkenswertes Comeback der Programmiersprache Logo. Dieser Ansatz zur Programmierung mit grafischen Elementen fand schnell mehrere Nachahmer und Ableger mit Turtle Art, Blockly, Snap! – um nur ein paar zu nennen. Es ist weithin anerkannt, dass Scratch eine geeignete Programmierumgebung für (auch kleine) Kinder ist. Auf der anderen Seite wird diskutiert, ob Blocksprachen ernst genommen werden können, denn sie sehen eher wie ein Kinderspiel aus als wie eine Programmiersprache. Es wird oft argumentiert, dass nach einem Einstieg mit Scratch ein Übergang zu „richtigen“ Programmiersprachen, und als solche werden textbasierte Programmiersprachen verstanden, notwendig ist. Ich kann diese Meinung nicht teilen …

Zur Einordnung meines Standpunktes muss ich voraus schicken: Ich bin kein Informatiker und kein ausgebildeter Programmierer und ich bin kein Lehrer. Ich bin ein pensionierter Bildungs-Technologe mit einem wachsenden Interesse an der Programmierung von Projekten in verschiedenen Bereichen, wie Computer-Kunst, Simulationen und der Visualisierung von mathematischen Phänomenen. Das sind zwar alles keine großen, aber durchaus anspruchsvolle kleine Projekte.

Gleich zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn hatte ich die Gelegenheit, die Sprache Logo sowie Paperts Ansatz des Konstruktionismus kennen zu lernen. Die Auseinandersetzung mit seiner Theorie sowie die Anwendung der Sprache Logo in Projekten der Lehrerausbildung hatte einen starken Einfluss auf meine weiteren Aktivitäten.

Beruflich war es für mich jedenfalls bei mehreren Gelegenheiten notwendig, computergestützte Projekte zu leiten oder sogar Teile selbst zu programmieren. So war es für mich unvermeidlich, mir grundlegende Programmierungskonzepte anzueignen und sie mit zu diesem Zeitpunkt aktuellen Programmiersprachen umzusetzen (von FORTRAN, BASIC bis Pascal). Es ist in diesem Zusammenhang auch anzumerken, dass ich insbesondere grafisch interaktive Problemlösewerkzeuge entwickelt habe (z.B. KOMPART für pharmakokinetische Kompartmentsysteme; GRIPS und MODUS zur Modellierung dynamischer Systeme). Diese Tools ermöglichten es Studenten (und professionellen Anwendern), dynamische Systeme ohne mathematische und programmiertechnische Barrieren zu modellieren und zu simulieren.

Dieser Ansatz basiert auf einer Tradition in den angewandten Wissenschaften. Es ist vielleicht kein Zufall, dass die visuelle Programmierung in Bereichen, in denen interdisziplinäre Kooperation üblich ist, besonders weit verbreitet ist und die Kommunikation über die Grenzen des Themas hinaus durch entsprechende Visualisierungen erfolgt. Beispiele sind LabView (Messtechnik), Vensim und iThink (Modellierung von dynamischen Systemen) oder iMODELER (Projektmanagement).

Der übliche Einstieg in die Programmierung mit textbasierten Programmiersprachen ist dagegen mit hohen Hürden verbunden – nicht nur für Kinder. Das gilt selbst bei einer bildungsorientierten Sprache wie Logo und um wie viel mehr in Produktionssystemen wie Java oder Python. Alle Anfänger müssen viele verschiedene Dinge gleichzeitig lernen: Syntax und Semantik der Befehle, die Formulierung von Algorithmen, den Umgang mit der Entwicklungsumgebung und dem Editor, den Umgang mit Fehlern und mehr. Am Anfang  sollten aber eigentlich die Konzepte der Programmierung im Vordergrund stehen. Professionelle Entwicklungsumgebungen verstellen oft den Blick auf das Wesentliche. Diese Hürde kann mit visuellen Programmierumgebungen deutlich reduziert werden.

Es gibt einige Studien (siehe z. B. Weintrop & Wilensky, 2017, Price & Barnes, 2015), die zeigen, dass die visuelle Programmierung den Einstieg in das Programmieren besonders für Anfänger mit wenig Vorkenntnissen erleichtert. Auch wenn visuelle Programmiersprachen oft nur als Vorläufer der „echten“ Programmierung akzeptiert werden (siehe z. B. Dorling & White, 2015), ist es doch zweifelhaft, ob die Mehrheit der an der Programmierung interessierten Personen die „richtigen“ Sprachen für die Entwicklung ihrer Anwendungen überhaupt braucht (Modrow, 2013). Eine Einschränkung von visuellen Sprachen kann darin gesehen werden, dass die grafische Implementierung komplexer Algorithmen mit vielen Symbolen schnell eine räumliche Grenze erreichen kann. Das wird auch als Deutschgrenze bezeichnet nach dem Informatiker L. Peter Deutsch: Mehr als 50 visuelle Elemente auf dem Bildschirm sind schwer zu verstehen. Glücklicherweise stehen in Scratch et al. strukturierende Elemente zur Verfügung, um Befehlsfolgen zusammenzufassen und so ein potentielles Raumproblem zu vermeiden oder deutlich zu lindern.

Jedenfalls entdeckte ich nach meinem Ruhestand wieder meine Liebe zur Kunst und zur Programmierung. Und mit Scratch (und seinen Abkömmlingen) habe ich die Werkzeuge gefunden, die mir den unproblematischen Wiedereinstieg erlaubten und die Nutzung meiner bisherigen Erfahrungen in der Entwicklung von Lernumgebungen. Für meine eigenen Anwendungsfelder (Computerkunst, Visualisierungen, Simulationen) sehe ich auf jeden Fall keine zwingende Notwendigkeit, andere Werkzeuge zu benutzen.

Mittlerweile bin ich engagiert, älteren Leuten (60+, so genannte Silver Surfer) zu helfen, Zugang zum Computer und zum Internet zu bekommen. Einige von ihnen sind sogar daran interessiert, Programmieren zu lernen, häufig einfach als intellektuelle Herausforderung oder um an aktuellen Entwicklungen teilzunehmen und ihre Rolle als reine Verbraucher zu überwinden. Ich habe gelernt, dass es in diesem Fall besonders wichtig ist, einem lernerzentrierten Design zu folgen und motivierende Themen aufzugreifen. Geeignete Ausgangspunkte sind individuelle Hobby-Projektideen (wie in meinem Fall die ComputerKunst) und diese zu implementieren.

Ein solcher Ansatz bildet ein Gegengewicht zu üblichen Einführungen zur Programmierung, die oft an einem Mangel an adressatenspezifischer Sprache und Beispielen leiden. Die Verwendung Visueller Programmierung mit Scratch ist bestens geeignet, Frustrationen mit Software-Installationen und Konfigurationen und Fehleranalysen zu vermeiden (siehe Guo, 2017). Für meine Adressaten ist es besonders wichtig, dass sie sich auf die Entwicklung der Algorithmen konzentrieren können.

Meine Erfahrung und meine Schlussfolgerung ist also, dass Scratch nicht nur für Kinder geeignet ist, sondern auch für Adressaten am anderen Ende der Alterspyramide! Ich bin neugierig, was die Entwicklung von Scratch et al. uns in den nächsten 10 Jahren in dieser Hinsicht noch bringen wird.

02Nov/16

2016: Jahr der Digitalen Bildung?

Quelle: konzeptblog Autor: jowe

Einige hatten 2016 zum Jahr der Digitalen Bildung proklamiert (Saskia Esken war wohl die Erste, spätestens aber bei der SPD-Tagung Bildung in einer digitalisierten Welt). Die rasche Folge von Workshops und Tagungen,  die Liste der neu herausgegebenen Stellungnahmen zum Thema und weitere Aktivitäten könnten dafür sprechen:

Diese Liste liesse sich nahezu beliebig verlängern. Warum beschleichen mich dennoch Zweifel, in 2016 werde es echte Durchbrüche geben? Nehmen wir mal die SPD-Veranstaltung Bildung in einer digitalisierten Welt (#bidiwe16) in Berlin. Bei der SPD-Veranstaltung waren Interessierte und Experten aus Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft eingeladen, sich zum Thema Digitale Bildung auszutauschen (schon mit dem Begriff hab ich ja so meine Probleme). Es trafen sich ca. 300 Teilnehmende; unter den Referenten und Workshopanbietern die üblichen Verdächtigen. Hinterher das allgemeine Schulterklopfen zu einer gelungenen Veranstaltung und dass #bidiwe16 bei Twitter im Trend lag – aber eigentlich kein vorzeigbares Ergebnis. Ich möchte den Wert der Vernetzung und Austausch zwischen Interessierten und Aktiven nicht kleinreden, aber Dominikus Herz hat in einem Blogbeitrag die richtigen Fragen und Anmerkungen zum Sinn solcher Veranstaltungen formuliert. Das gilt m.E. für die Mehrzahl solcher politisch orientierten Veranstaltungen – und nun bin ich gespannt ob der nationale IT-Gipfel mich Lügen straft.

Nehmen wir als nächstes das Digitalpaket. Allein die Ankündigung hat eine Welle von Stellungnahmen hervorgerufen, auch hier natürlich wieder viele der üblichen Protagonisten zum Pro und Kontra der digitalen Bildung. Ich muss sie hier nicht aufführen sondern verweise exemplarisch auf Christian Stöcker und Christian Füller, die ihrerseits auf etliche typische Beiträge eingehen. Jedenfalls liefern die unterschiedlichen, oft polemischen Beiträge ein treffendes Bild der verhärteten Fronten zwischen Technikeuphorikern und Kulturpessimisten. Wer eine fundiertere Analyse sucht, sollte allerdings den Beitrag Welche „digitale Bildungsrevolution“ wollen wir? von Lisa Rosa studieren.

Was passiert nun – im Gegensatz zu den hochfliegenden Plänen – im Alltag der Bundesländer, wo z.B. NRW bereits ein Leitbild 2020 für Bildung in Zeiten der Digitalisierung oder die Bayerische Staatsregierung eine Zukunftsstrategie für Digitale Bildung in Schule, Hochschule und Kultur vorgelegt haben? So wird etwa in Baden-Württemberg gerade ein Schulversuch Schulunterricht mit Tablets an vier Gymnasien (14 weitere sollen folgen) gestartet, insbesondere in den Fächern Mathematik, Englisch, Geschichte und Naturwissenschaften in den Klassen sieben bis neun Mittelstufe, wissenschaftlich begleitet vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung der Universität Tübingen in Kooperation mit dem Leibnitz-Institut für Wissensmedien. Klar dass die Wissenschaftler froh sind, über ein solches Projekt Drittmittel einzuwerben. Wenn dann aber das als ein Feld beschrieben wird, das noch sehr in Entwicklung ist (Projektleiter Ulrich Trautwein im Interview mit der Südwest Presse, leider nur offline) und als Beispiele Tablets als Lehrbuchersatz oder zum Lernen von Vokabeln genannt werden, dann ignoriert das schlicht Ergebnisse aus vielen vorliegenden Untersuchungen und auch Erfahrungen aus etlichen Schulversuchen, die allerdings in anderen Bundesländern stattgefunden haben. Das reicht offensichtlich nicht, das muss man natürlich erstmal selber erproben.

Ähnlich geht es mir mit Calliope. Dieser Einplatinenrechner wurde sichtlich inspiriert vom BBC micro:bit. Er hat ein paar zusätzliche Komponenten und Funktionen, aber an die Fülle an Anwendungen und Materialien für den micro:bit, abgesehen von der dafür bereits existierenden Community reicht Calliope erstmal nicht heran. Ehrlich gesagt würde ich sowieso diesen reinen Bastelrechnern den Raspberry Pi vorziehen. Mit dem kann man nach meinem Kenntnisstand so ziemlich alles wie mit dem micro:bit machen aber eben noch viel mehr; es gibt dafür mehrere Betriebssysteme, Office-Anwendung, Programmierumgebungen und und und … In der Zero-Variante ist er sogar billiger als micr:bit oder Calliope. Dem Einwand, das seien doch britische Produkte, ist zu begegnen mit einer deutschsprachigen Community, einem Blog, einem Forum und Tutorials. Ein Blick über die Grenzen lohnt also allemal.

Ok, und wo bleibt das Positive? Ich möchte mich da Felix Schaumburg anschließen: Ach… Ich bin die Klagen und Bedenken leid. Endlich tut sich mal was nach langen Jahren der Forderungen, die Infrastruktur an Schulen anzugehen. Endlich wird Geld in die Hand genommen. Endlich ergeben sich die Perspektiven, Schulen entsprechend ihrer anspruchsvollen Aufgabe an die digitale Gesellschaft anzuschließen. Lasst uns dies bitte nicht in Bedenken ertränken, sondern nutzen. Richtig, also zusammenraufen und Computer und Internet auf allen Ebenen inhaltlich behandeln und konsequent nutzen, d.h.

  • Verteilung der medienpädagogischen Aspekte auf mehrere Fächer,
  • selbstverständliche Integration als Arbeitsmittel und Medien in den Fächern und schließlich auch
  • Vermittlung von Computational Thinking so früh wie möglich und verortet in einem eigenständigen Fach.

Zum Schluß deshalb noch ein konstruktiver Vorschlag zum weiteren Vorgehen: Bevor die Gelder in technische Ausstattungen investiert werden, sollte eine flächendeckende Einführung und Weiterbildung für alle Lehrerinnen und Lehrer in den genannten drei Feldern geboten werden. Da sich die inhaltlichen, methodischen und curricularen Schwerpunkte in den Bundesländern nur unwesentlich unterscheiden dürften, kann dies bundesweit einheitlich entwickelt und angeboten werden. Wie wäre es mit einer MOOC-Reihe Lehren und Lernen mit digitalen Medien? Mit Beteiligung von Theoretikern und Praktikern zur Sicherung einer breit anerkannten Qualität, was gleichzeitig das Einbringen und Berücksichtigen möglichst vieler der bisherigen Erfahrungen garantieren sollte (inspiriert dazu bin ich von einem Fernstudienprojekt Ende der 80er Jahre, mit dem wir Materialien damals zum Thema Lehren und Lernen mit dem Computer etwa in dieser Form angeboten haben).

Bis die Gelder aus dem Digitalpaket fließen, bleibt sicher noch einige Zeit. Die könnte und sollte genutzt werden, um eine sinnvolle Implementation in den Schulalltag vorzubereiten und zu unterstützen. Bis die föderalen Aspekte der BMBF-Initiative geklärt sind, könnte das Ministerium doch schon mal vorab ein solches Maßnahmebündel finanzieren, oder?

24Okt/16

Kunst & Computer

Quelle: konzeptblog Autor: jowe

drippaintingEiner meiner Themenschwerpunkte ist seit einiger Zeit die Computerkunst. Das dokumentiere ich unter Digital Art.

Neu ist dort jetzt eine Kurzdokumentation zu einer kleinen Ausstellung, die ich hier in Tübingen im Stadtteiltreff Waldhäuser-Ost bestücken konnte. Unter Kunst & Computer habe ich die Exponate dokumentiert und deute mit Codefragmenten an, wie sie unter Verwendung von Snap! entstanden sind.

14Aug/16

10 Jahre konzeptblog

Quelle: konzeptblog Autor: jowe

konzeptblog2006Fast hätte ich mein eigenes Jubiläum verpasst! Heute vor genau 10 Jahren habe ich den ersten Beitrag im konzeptblog frei geschaltet. Das war der Beginn des Aufbaus meiner eigenen Webpräsenz, die sich inzwischen in die Website (als Startseite), dazu konzeptblog, SoftwareMuseum, Programmieren für Alle und seit Januar 2015 noch Digital Art ausdifferenziert hat.

Es ist nicht ganz bei dem geblieben, was ich mir damals vorgenommen hatte: „Das meiste wird thematisch dem Bereich zuzuordnen sein, mit dem ich mich auch beruflich beschäftige; also Computer und Internet als Werkzeuge zum Problemlösen und zur Unterstützung von Lehr-/Lernprozessen (Kategorie Fachliches). Auch meinen früheren Schwerpunkt Simulation und Modellbildung möchte ich hier (hobbymäßig) wieder etwas aufleben lassen (Kategorie NetLogo). Gleiches gilt für das Sammeln optischer Illusionen, die mich seit langem faszinieren (Kategorie Opticals).“

Das Fachliche ist seit meinem Eintritt in den Ruhestand deutlich weniger geworden, zu Simulation und Modellbildung sowie Opticals haben sich nur sehr wenige Einträge ergeben. Die neuen Unterseiten zeigen, was mich derzeit mehr interessiert, eben Programmieren und Digital Art. Damit einher ging ein äußerer Wandel (den ich in 20 Jahre Webpräsenz schon mal dokumentiert habe) mit unterschiedlichen Layouts. Ans Aufhören denke ich derzeit nicht (2014 war ich nah dran); die Funktion des persönlichen Wissensspeichers und Archivs ist Motivation genug. Heute möchte ich das Fähnchen des Bloggens eigentlich wieder bewusst hoch halten. Zwar hat das Kommentieren nachgelassen, aber Twitter oder Google+ sind für mich keine Alternativen; die nutze ich völlig anders.

Also auf Wiederlesen; es geht weiter … ?

04Aug/16

Seymour Papert 1928-2016

Quelle: konzeptblog Autor: jowe

Vom mit media lab kam die Nachricht, dass Seymour Papert am 31. Juli verstorben ist, verbunden mit einem Nachruf, der prägnant seine Arbeit und seinen Einfluss zusammen fasst (vgl. auch Fisher, Clark). Aber auch wenn ich keine Gelegenheit hatte, ihn persönlich zu erleben, möchte ich benennen, wie stark mich seine Arbeiten beeindruckt und beeinflusst haben: Natürlich die Programmiersprache Logo, aber dazu sein Konzept des Konstruktionismus und sein Buch Mindstorms.

Mit Logo hat Papert ein Werkzeug konzipiert und mitentwickelt, mit dem bereits Kindern ermöglicht werden sollte, Aufgaben algorithmisch zu lösen. Der Zugang sollte niedrigschwellig sein, gleichzeitig aber auch der Weg zur Bearbeitung komplexer Probleme geöffnet werden („no treshold, no ceiling“). Für die Niedrigschwelligkeit steht die Schildkrötengarfik (turtle graphics), die eine natürliche, körperorientierte Geometrie verwendet. Andererseits konnte bereits die Logo-Version für den 8-Bit-Rechner Apple II Programme als Daten behandeln (was heute in Snap! wieder zu finden ist; schöne Anwendungen davon finden sich in Ziegenbalg (1985): Programmieren lernen mit Logo, S. 168 ff.). Papert wollte nämlich Werkzeuge entwickeln, mit denen Kindern das „Beste der Computerwissenschaften“ an die Hand gegeben werden sollte, damit sie ihre Denk- und Lernweisen verbessern können. Es gibt viele Anwendungsbeispiele, die zeigen, dass das möglich ist.

Ende der 60er Jahre entwickelte Seymour Papert seinen Ansatz des Konstruktionismus. Darin verbindet er reformpädagogische Ideen zum selbstbestimmten Lernen mit Piagets lerntheoretischen Überlegungen zum Konstruktivismus. Dabei legt er einen deutlich stärkeren Akzent auf das kreative Handeln im Sinne der Konstruktion von Dingen. Unterstrichen wird die Rolle des Schaffens persönlich bedeutungsvoller Artefakte, die gezeigt, diskutiert, erprobt und bewundert werden können – ein Aspekt, der auch für Studierende relevant ist. Papert hat nicht nur Logo als ein Werkzeug zum konstruktionistischen Lernen entwickelt, sondern war an vielen Weiterentwicklungen beteiligt, wie der Lego Mindstorms Roboter-Serie und der One Laptop Per Child Initiative.

„Use new technologies not to solve problems of school-as-it-is instead of seek radically new opportunities to develop school-as-it-can-be. The time has come to move beyond „technology-aided school.“ It is time to open our minds to radical change in the institution of school itself.“

mindstormsDen theoretischen Kontext seiner Arbeit entwickelte Papert in seinem Buch Mindstorms: Kinder, Computer und Neues Lernen. Berühmt ist seine Metapher vom Matheland, einer Umgebung, in der Kinder ganz selbstverständlich Mathematik lernen, so wie sie die Sprache in ihrer Sprachumgebung lernen.

Meist wird unterschlagen, dass es Papert weniger um die Einführung von Computern in die Schule ging, sondern um die Veränderung von Schule als Institution. Er stellt die Lernenden ins Zentrum aller Überlegungen: Computer, Logo und Roboter sind für ihn nur die geeigneten Vehilkel, die Lernenden zu befähigen, aktive Konstrukteure ihres Wissens zu werden, indem sie für sie selbst bedeutungsvolle Artefakte erschaffen.

Im Laufe meines Berufslebens habe ich immer wieder von Paperts Anregungen profitiert, mehrfach in konkreten Projekten. Ein Ergebnis war u.a. ein Studienbrief zur Lehrerfortbildung: Rauch & Wedekind (1989): Schildkrötengrafik: Einfaches Programmieren von Grafiken. Dieses Material habe ich vor kurzem wieder aufgenommen und erweitert (Joachim Wedekind: Programmierung interaktiver Grafiken. Eine Einführung mit ACSLogo. Band 1: Polygone, Spirolaterale, Rekursive Grafiken, L-Systeme). Und auch bei meinem Steckenpferd, der Computerkunst, arbeite ich mit Snap! in der Tradition von Logo.

Ehrlicherweise ist festzustellen, dass leider in Deutschland weder das Konzept des Konstruktionismus noch Logo als Programmiersprache die ihnen gebührende Verbreitung gefunden haben. Selbst in den USA gibt es dafür nur eine (wenn auch deutlich größere) Nische; immerhin gibt es sehr aktive Communities um den Logo-Nachfolger Scratch und bei Snap! in Form des Curriculums Beauty and Joy of Computing. Späte Nachwirkungen zeigen sich u.a. auch in der Maker-Bewegung, in der sich viele auf Papert beziehen. Die Schriften und Materialien von Seymour Papert sind auf jeden Fall nach wie vor aktuell und allen anempfohlen, die sich um Veränderungen in der Schule angesichts der Herausforderungen durch die Digitalisierung der Gesellschaft bemühen. Sie sind im Netz auf der Website von papert.org oder bei Planet Papert zu finden.

 

 

04Jul/16

Digitale Bildung gibt es nicht!

Quelle: konzeptblog Autor: jowe

Digitale Bildung gibt es nicht, genauso wenig wie es analoge Bildung gab oder gibt. Wenn schon, dann gibt es Bildung. Punkt.

Auch wenn der Bildungsbegriff ein typisch deutscher ist und vielfältig interpretiert wird, beliebig (verwendbar) ist er dennoch nicht. Es ist klar, dass bei Tagungsankündigungen, Expertentreffen oder Strategiepapieren gerne mit kurzen, knackigen Begriffen oder Halbsätzen gearbeitet wird. Das steht dann oft im Widerspruch zu einer sorgfältigen und reflektierten Begriffsverwendung. Und gerade gibt es jede Menge Tagungen und Stellungnahmen die im Titel nur oder in Halbsatzform die Digitale Bildung enthalten. Das geht dann quer durch alle (bildungs-)politischen Lager:

Die Strategie der Bundesregierung zur Vorbereitung der Menschen auf die Anforderungen der Wissensgesellschaft trägt den Titel Digitale Bildung. Die Rede der Bundeskanzlerin beim vierten Nationalen MINT-Gipfel ist entsprechend überschrieben mit Digitale Bildung voranbringen …und beim nationalen IT-Gipfel am 16. November in Saarbrücken wird es einen Tag der Digitalen Bildung für alle! geben. Bei der Bayerischen Staatsregierung liegt die Zukunftsstrategie in Digitale Bildung in Schule, Hochschule und Kultur. Bei der SPD ist ihr Konzept Digitale Bildung die Antwort auf eine digitalisierte Welt. Eine Initiative von Verlagen und dem Verband der Bildungswirtschaft nennt sich Digitale Bildung Neu Denken. Auch bei der bpb gibt es den Themenschwerpunkt Digitale Bildung.

Mir liegt es fern, hier begrifflichen Purismus zu betreiben. Aber Digitale Bildung fördert eine Pauschalisierung, bei der leider mehrere Bereiche zusammengewürfelt werden, die inhaltlich und konzeptuell sehr unterschiedlich sind, sogar verschiedenen Bezugswissenschaften zugeordnet werden können (ein typisches Beispiel für das unzulässige und unergiebige Verquirlen ist die öffentliche Anhörung von Sachverständigen im Landtag NRW). Deshalb der Versuch einer knappen Differenzierung (Robert Taylor hatte da schon 1980 in seinem Buch The Computer in the School: Tutor, Tool, Tutee vorgelegt):

Lernen über digitale Medien (Medienkompetenz): Beinhaltet heute großteils den Umgang mit sozialen Medien, Cybermobbing, usw. und ist u.a. Arbeitsfeld der Medienpädagogik. Es wird überwiegend propagiert, sie integrativ, d.h. innerhalb existierender Fächer zu behandeln (siehe etwa Haist, 2013).
Lernen mit digitalen Medien (Mediennutzung): Dabei geht es um die Nutzung bei der Vermittlung von Inhalten und methodischen Differenzierungen (z.B. Simulationen, Übungen, Tutorials usw.) und mögliche Veränderungen der Lernkultur (z.B. inverted classroom). Das ist das Arbeitsfeld der Mediendidaktik und – da es den fachspezifischen Einsatz betrifft – der einzelnen Fachdidaktiken.
Lernen über den Computer: Manche fordern dafür ein #pflichtfachinformatik, andere Programmieren für Alle. Die Probleme der Diskussion darüber fasst Döbeli gut zusammen.

Weil diese Unterscheidung fast immer unterschlagen wird, stehen sich dann verhärtete Positionen gegenüber; die Diskussionen sind zwar munter und kontrovers aber letztlich praktisch folgenlos.

Die digitalen Medien, Computer und Internet sind so bestimmend für gesellschaftliche Veränderungen geworden, dass ich es tatsächlch für notwendig halte, sie auf allen drei genannten Ebenen konsequent zu nutzen und inhaltlich zu behandeln: Also Verteilung der medienpädagogischen Aspekte auf mehrere Fächer, selbstverständliche Integration als Arbeitsmittel und Medien in den Fächern und schließlich auch Vermittlung von Computational Thinking (d.h. mehr als nur Programmieren und Mehr als 0 und 1) so früh wie möglich und verortet in einem eigenständigen Fach. Das kann unabhängig voneinander voran getrieben werden; die  bei digitaler Bildung suggerierte inhaltliche, curriculare und organisatorische Kopplung ist da eher hinderlich.

Die o.g. Diskussionen, Tagungen und Stellungnahmen stimmen mich allerdings eher skeptisch, dazu tragfähige Konzepte und ihre Umsetzung zeitnah zu erleben, trotz der gleichzeitig beschworenen Notwendigkeiten von Industrie 4.0, Arbeit 4.0 oder gar Bildung 4.0. Zuviel erinnert an die fruchtlosen Debatten der letzten 35 Jahre um Informationstechnische Grundbildung, geeignete Schulsprachen usw. – die z.B. in den frühen Jahrgängen der Zeitschrift LOG IN nachzulesen wären …

20Jun/16

Lesetipp: Mit Scratch Programmieren lernen – aus Büchern

Quelle: konzeptblog Autor: jowe

Die Frage, ob und wann und mit welchen Konzepten und Inhalten ein #PflichtfachInformatik eingeführt werden sollte, ist höchst umstritten. Ich rechne damit jedenfalls in absehbarer Zukunft nicht. Umso mehr hat mich interessiert, welche Bücher es denn gibt, um Kinder und Jugendliche an das Programmieren und mehr – im Sinne von informatischem Denken (CT: Computational Thinking) – heran zu führen.

Für diese Zielsetzung wird als Programmiersprache der Wahl sehr oft Scratch genannt. Scratch ist eine visuelle Programmierumgebung in der Tradition von Logo, konzipiert und entwickelt am MIT Media Lab unter der Leitung von Mitchel Resnick. Neben einer niedrigschwelligen grafischen Benutzerobefläche bietet Scratch Programmierkonzepte zur Vermittlung der Grundlagen des CT, also der Fähigkeit, Problemstellungen für die Lösung mit Hilfe des Computers aufzubereiten, u.a. mit Iteration, bedingten Anweisungen, Variablen und Listen, Prozeduren, Rekursion, Parallelverarbeitung.

Ein wichtiger Aspekt von Scratch ist die Online-Community, die dazu entstanden ist. Kollaboratives Arbeiten, das Remixen von Code-Beispielen und das Teilen der eigenen Arbeit mit anderen wird ausdrücklich unterstützt. Auf der Scratch-Website wurden entsprechend bisher von über 12 Millionen Nutzern über 15 Millionen Projekte geteilt. Diese Website ist auch ein guter Einstieg, wenn Sie Online-Tutorials in Scratch suchen. Außerdem gibt es dort zahllose themenorientierte Beispielsammlungen (z.B. zu Fraktalen, Simulationen u.a.m.). Ein guter Zugang ist auch das (deutschsprachige) Scratch-Wiki. Wenig verwunderlich, dass es inzwischen etliche Bücher dazu gibt, auch deutschsprachige. Was bieten diese?

Breen_ScratchSeit kurzem liegt bei meinem Tübinger Buchhändler Erste Schritte mit Scratch für Dummies Junior von Derek Breen gleich stapelweise zum Verkauf. Bunt aufgemacht, nach meinem Geschmack mit einem etwas arg anbiedernden jugendlichen Sprachstil, wird vor allem gezeigt, wie Elemente für einfache Spielkomponenten gezeichnet und animiert werden können. Eigentlich werden nur Iteration und bedingte Anweisungen (ohne wirkliche Erklärung) eingeführt, ansonsten bleibt es beim sehr kleinschrittigen Nachvollzug („klicke dies“, „klicke das“) vorgegebener Beispiele.

Immler_ScratchVon Christian Immler, einem altgedienten Computerbuch-Autor gibt es Der kleine Hacker: Programmieren für Einsteiger. Mit Scratch schnell und effektiv programmieren lernen. Auch Immler konzentriert sich auf das Entwickeln von Spielen (im Schlusskapitel gibt es noch kurz Scratch auf dem Raspberry Pi) anhand von Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Programmierelemente, z.B. Wiederhole-Anweisung oder falls-Abfrage werden ganz nebenbei eingeführt. Das Ausprobieren der Wirkung soll wohl reichen, um das Prinzip dahinter zu verstehen. Auf dem hinteren Buchdeckel steht aber Informatikdenken lernen. Ich habe da meine Zweifel. Aber ich bin auch nicht Adressat; mich schreckt schon das unruhige, mit sinnlosen Hintergrundgrafiken überladene Layout ab (das der Franzis-Verlag übrigens oft in seinen neueren Büchern verwendet).

PrgSuperEasyDas gleiche Prinzip gilt in Spiele programmieren supereasy: Acht Spiele werden anhand von Illustrationen und Schritt-für-Schritt-Anleitungen vorgestellt. So sollen ganz nebenbei das logische Denken und die Problemlösungsfähigkeiten trainiert werden. Naja.

Bartmann_ScratchBei Faszinierende Elektronik-Projekte mit Scratch, Raspberry Pi und Arduino von Erik Bartmann stehen – wie der Titel schon andeutet – der Nachbau elektronischer Projekte im Mittelpunkt. Die sind unterschiedlich anspruchsvoll und benötigen meist zusätzliches Material. Scratch wird eher beiläufig eingeführt. Mir ist das Buch zu wenig systematisch aufgebaut; es erfordert reichlich Durchhaltevermögen.

Ulwer_ScratchDeutlich ernsthafter gehen schulorientierte Unterlagen den Programmiereinstieg mit Scratch an. Bei Programmieren mit Scratch von Jürgen Ullwer geht es um Objekte, Methoden, Variablen und Kontrollstrukturen. Statt klicke hier – schiebe da werden Grundlagen besprochen und am konkreten (Spiel) Beispiel praktisch umgesetzt.

Informatik_konkretEinen sehr speziellen Zugang bietet Informatik konkret: 28 Anwendungsbeispiele. Lehrplanthemen erarbeiten – in Scratch programmieren – auf medizinische Kontexte anwenden von Kerstin Strecker. Hier werden anhand fachlich motivierter Anwendungsbeispiele u.a. Algorithmik, Datenformaten, Codierung und Modellierung behandelt. Ich finde diesen Ansatz sehr sympathisch und zielführend.

Zwischenfazit: Mir gefallen die beiden didaktisch geprägten Bücher von Ullwer bzw. Strecker am besten. Deren Adressaten sind aber eher Lehrer und Eltern und nicht die Jugendlichen selbst. Die anderen genannten Büchern setzen alle auf Spieleentwicklung als motivierenden Faktor – als ob digitale Medien zu nichts anderem zu gebrauchen sind. Poppiges Layout und als jugendgerecht empfundene Sprache passen da ins Bild.

LEAD_Scratch  McManus_Scratch  Ford_ScratchMarji_Scratch

Spieleprogrammierung ist auch Hauptthema bei etlichen englischsprachigen Büchern über Scratch, die sich häufig eben auch wieder auf Schritt-für-Schritt-Anleitungen ohne weiter gehende Erklärungen beschränken. Aber immerhin gibt es welche, die die konzeptuellen Erläuterungen bieten. So bei Super Scratch Programming Adventure! vom LEAD Project, Scratch Programming in Easy Steps von Sean McManus (immerhin mit konzeptuellen Erläuterungen neben den Schritt-für-Schritt-Anleitungen), Scratch 2.0 Programming for Teens von Jerry Lee Ford und weiteren Büchern.

Das Buch von Michal Armoni & Moti Ben-Ari Computer Science Concepts in Scratch verdeutlicht den Anspruch schon im Titel (das Buch gibt es zum kostenlosen Download). Das Buch ist eine Sammlung von Aufgaben, wofür in jedem Kapitel ein neues Konzept eingeführt wird, das benötigt wird, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen. Ein konsequent durchgezogener Ansatz! Majed Marji verfolgt mit Learn to Program with Scratch – A Visual Introduction to Programming with Games, Art, Science, and Math einen ganz ähnlichen Ansatz.

Nachklapp: Die Bücher über Scratch habe ich eigentlich deshalb gesichtet, weil ich zu Snap!, der Programmierumgebung meiner Wahl, bisher keine gefunden habe. Mich haben die Vermittlungskonzepte interessiert, weil ich selber an einem Buch zum Recoden und Remixen von Computerkunst mit Snap! arbeite. Dabei adressiere ich allerdings weniger Jugendliche, sondern Interessierte an Kunst und Codieren. Es wird also um das Problemlösen mit dem Computer in einem spezifischen Anwendungsbereich gehen. Wer Beispiele für ähnlich fachbezogene Ansätze kennt, bitte bei mir melden. Und auch alle, die weitere Materialien zu Scratch bzw. Snap! kennen!

13Jun/16

Lesetipp: Die Poesie der Naturwissenschaften

Quelle: konzeptblog Autor: jowe

Die Bücher des Zoologen und Evolutionsforschers Richard Dawkins haben mich die letzten Jahrzehnte begleitet. Begonnen hat es 1976 mit Das egoistische Gen, das ich regelecht verschlungen habe, obwohl ich da schon aus meinem Studienfach (Populations) Biologie zur Erziehungswissenschaft gewechselt hatte. 1986 erschien Der blinde Uhrmacher, in dem Dawkins u.a. seine Biomorphe vorstellte, die ich natürlich nachprogrammieren musste. Mit Gipfel des Unwahrscheinlichen hat er 1996 eine eher populärwissenschaftliche Darstellung evolutionärer Vorgänge vorgelegt. Schließlich folgte 2006 Der Gotteswahn, womit der überzeugte Atheist eine streng darwinistische Religionskritik vorlegte. Dieser Kopplung Säkularisierung und Wissenschaftsförderung widmet sich inzwischen seine Stiftung, die Richard Dawkins Foundation.

Ich lese Dawkins im 10-Jahres-Rhythmus, denn 2016 ist nun seine Autobiografie Die Poesie der Naturwissenschaften erschienen, in der er in (nicht nur) amüsanten Schilderungen Episoden seines Lebens Revue passieren lässt. Beeindruckend für mich sind seine Anfänge und sein Weg in die Wissenschaft. Seine Entwicklung ist stark geprägt vom Tutoren- und Mentorensystem der Universität Oxford. Er hat dabei ausgezeichnete Lehrer gefunden, die ihm den Zugang zu wissenschaftlichem Fragen und Arbeiten eröffnet haben; besonders prägend der Nobelpreisträger Niko Tinbergen.

Ich habe das, wenn auch in anderer Form, ähnlich prägend erlebt in der Endphase meines Biologiestudiums und dabei erfahren, wie wichtig der direkte Austausch mit engagierten, vom eigenen Fach begeisterten Personen für das Verstehen wissenschaftlichen Arbeitens ist.

Mehr muss ich zu dem Buch gar nicht sagen. Es bleibt die Empfehlung eines begeisterten Lesers, sich diese 700 Seiten starke Lektüre für den nächsten Urlaub vorzunehmen. Das Lesen „am Stück“ ist wohl am besten geeignet, den von vielen Anekdoten eingerahmten Gedankengängen Dawkins zu folgen.

Eines hat mir das Buch auch verdeutlicht: MOOCs und andere Szenarien des Online-Lernens können die wissenschaftliche Sozialisation, wie Dawkins – und ich – sie erfahren haben, nicht leisten. Bleibt natürlich die Frage, wie heute, unter den Bedingungen von Massenuniversität, Bachelor- und Master-Korsett, Sparzwängen und prekären Arbeitsverhältnissen an den Universitäten, trotzdem kreative und kritische Geister den notwendigen Entfaltungs- und Gestaltungsraum erhalten können ohne dabei Eliteförderung gegen offenen Bildungszugang auszuspielen.

22Mai/16

Malmaschinen analog & digital

Quelle: konzeptblog Autor: jowe

Eher zufällig hat mich die Beschäftigung mit digital art zurück zu analogen Malmaschinen geführt. Der (Buch)Designer Joe Freedman, der auch optische Spielzeuge und Aufklapp-Bilderbücher gestaltete, hat wunderschöne Malmaschinen aus Holz gefertigt. Das reicht vom klassischen Harmonograph über die PrimoGraf und die DuoGraf Malmaschine bis zur komplexesten, der Cycloid Malmaschine. Leider sind diese über kickstarter finanzierten Produkte inzwischen alle vergriffen. Wayne Schmidt hat einen begeisterten Review verfasst. Sein Video demonstriert sowohl die mechanische und designerische Qualität als auch die enorme Brandbreite an Variations- und damit Gestaltungsmöglichkeiten:

Vom dänischen Künstler Eske Rex gibt es ziemlich monumentale Malmaschinen (Drawing machine, Drawing Machine #2), zwar mit weniger Einstellungsmöglichkeiten (es handelt sich einfach um große Doppelpendel), die aber großdimensionierte Bilder produzieren. Das reizt eventuell zum Selbermachen. Machbar ist sowas z.B. mit zwei gekoppelten Plattenspielern.

Mit einem eleganten Schlenker kann ich nun aber wieder den Bezug zu digital art herstellen, denn Jim Bumgardner hat eine Simulation der Cycloid Drawing Machine mit Hilfe von Processing programmiert. Da er das mit Kenntnis und Unterstützung von Joe Freedman gemacht hat, ist eine frappierend realistische Umsetzung gelungen. Am besten selber ausprobieren; die Maschine läuft im Browser.

DrawingMachine
Eigentlich müsste sich eine (evtl. vereinfachte) Version davon mit Snap! realisieren lassen; mit nested sprites z.B., das wär noch was …

28Apr/16

Roboter für Alle!

Quelle: konzeptblog Autor: jowe

Als Befürworter von Programmieren für Alle, und das möglichst früh, habe ich mich über die vielen – vor allem der visuellen – Programmierumgebungen gefreut, die (auch ganz) jungen Adressaten einen Zugang dazu ermöglichen. Ich erwähne nur Scratch und daran anknüpfende Alternativen (wie Snap!, Turtle Art, Blockly, App Inventor) aber auch Greenfoot oder BlueJ. Daneben gibt es seit einiger Zeit verstärkte Bemühungen, das Programmieren mit der Steuerung von Robotern, Sensoren und Aktoren zu verbinden. Damit soll einerseits die Motivation gesteigert werden, denn dadurch sind spannende Projekte realisierbar, bei denen „sich etwas tut“, andererseits sind so Anknüpfungspunkte an aktuelle realweltliche Fragestellungen gegeben. Ergebnis ist ein ganzer „Roboterzoo“ und dieser Beitrag ist ein Versuch, für mich ein bisschen Ordnung in der unübersichtlichen „Artenvielfalt“ zu schaffen. (auf die Seite Educational Robots bin ich leider erst nach Abfassen dieses Beitrags aufmerksam gemacht worden. Dank an Thorsten Leimbach!).
Die Klassiker: Für die Programmiersprache Logo gab es schon lange die ansteuerbaren Bodenturtles. Als aktuelle Nachfolger kann Terrapins Bot-Serie, mit Blue-Bot und Pro-Bot, angesehen werden. Beide werden mit Terrapin Logo-Kommandos gesteuert; der Pro-Bot kann mit Stiften bestückt werden und damit seine Spuren zeichnen.

BurkersTurtleMan kann natürlich auch versuchen, eine Bodenturtle selber zu bauen. Josh Burker hat das auf der Basis des Adafruit METRO Mini Einplatinencomputer gezeigt. Programmiert wird sie mit Turtle Art bzw. Turtle Blocks. (Photo: Josh Burker)

Lernumgebungen: In dieser Tradition entwickelte Mitchel Resnick mit Stephen Ocko u.a. am MIT die Programmable Bricks, programmierbare Bausteine, die dann als LEGO/Logo auf den Markt kamen. Es entstanden die LEGO Mindstorms-Systeme RCX und NXT. Die aktuelle Version wird als EV3 Lernsystem für die MINT-Fächer vermarktet. Ihre Programmierung erfolgt in einer auf LABVIEW basierenden visuellen Programmierumgebung. Speziell auf den Sachunterricht der Jahrgangsstufen 2 – 4 ausgerichtet ist das LEGO Education Lernkonzept WeDo 2.0. Kennzeichnend ist die Erweiterung um Sensoren, so dass vielfältige Experimente durchgeführt werden können, was über die Turtlegrafik weit hinausgeht.

Auf den gleichen LEGO-Mindstorms-Systemen RCX, NXT und EV3 basiert die Roberta-Reihe. Das Material ist seit 2002 im Projekt Roberta – Mädchen erobern Roboter entstanden. Es gibt neben der Roberta-Box Lehr- und Lernmaterialien, Schulungen und ein europaweites Netzwerk. Programmiert wird im Browser mit der grafischen Programmierumgebung Open Roberta/NEPO.

Bausätze: In diese Kategorie fallen eine Reihe sehr unterschiedlicher Roboter, die vor Inbetriebnahme zunächst zusammen gebaut werden müssen (streng genommen gilt das natürlich auch für die LEGO-Mindstorm-Systeme). Das kann neben mechanischen Arbeiten manchmal auch elektronische Arbeiten (z.B. das Löten zum Bestücken von Platinen) erfordern. Viele richten sich deshalb eher an versierte Bastler. Zu nennen sind z.B. der AREXX ASURO-Miniroboter, der nicai systems NIBO burger, das fischertechnik ROBOTICS TXT Discovery Set, der FRANZIS Arduino Robot oder der Boe-Bot Roboter von Parallax (in BASIC programmierbar!). Alle sind nicht ganz billig.

Ich dachte zunächst, bei den auf dem Raspberry Pi basierenden Robotern falle die finanzielle Hürde weg. Dem ist – zumindest bei den kommerziell vertriebenen Produkten – aber nicht so (bei dem GoPiGo oder dem DiddyBorg). Bei reinen Bastelprojekten sieht es natürlich anders aus (wie z.B. den PiBot-A bzw. PiBot-B).

Weniger Bastelarbeit erfordern Bausätze, die nur einen mechanischen Aufbau erfordern. Da ist zuallererst die Baureihe von Makeblock zu nennen. Sie beginnt mit dem mBot, der mit Sensoren, Mikro, LEDs u.a. ausgestattet ist und mit dem Motto One Robot per Kid beworben wird. Flexibler sind der größere Ultimate Robot Kit-Blue und das mDrawbot Kit (mit dem gleich vier unterschiedliche Zeichenroboter gebaut werden können). Alle Makeblock-Produkte sind mit dem Scratch-Abkömmling mBlock programmierbar.

mirobotEine preisgünstigere Alternative ist der Mirobot. Den mag ich besonders,  weil er zeichnen kann und relativ leicht zusammen zu bauen ist (auch wenn die Zeichengenauigkeit für meine Zwecke nicht optimal ist). Programmierbar ist er mit Blockly, Javascript, Python oder Scratch – und für mich besonders wichtig: auch mit Snap!. (Photo: Ben Pirt)

Eine interessante Variante des Bausatz-Konzepts ist die Kombination von steckbaren Modulen, die die notwendigen Komponenten (Sensoren, Motoren usw.) in sich bergen und so sehr variable Roboterformen erlauben. Ein entsprechendes Produkt ist MOSS von Modular Robotics. Deren würfelförmige elektronische Bauteile können magnetisch gekoppelt werden. Stromversorgung und Datenfluss werden direkt durch die Kopplung erreicht. Die Programmierung wird durch eine angepasste Scratch-Variante ermöglicht. Dasselbe Prinzip verfolgt Tinkerbots, bei dem vergleichbare Module über Steckverbindungen kombiniert werden. Zusätzlich ausbaufähig sind diese Roboter mit LEGO-Bausteinen. Die Steuerung kann über Handbewegungen, mit Smartphone oder Tablet oder direkte Programmierung des Arduino-Mikrocontrollers erfolgen.

Bleibt die Kategorie der Komplettgeräte, die ohne Bastelei direkt in Betrieb genommen werden können. Eine Sonderstellung nimmt dabei der NAO Evolution ein, ein humanoider Roboter, der Laufen, Zuhören und Sprechen kann. Mit knapp 7.000 € liegt er allerdings außerhalb des hier besprochenen Rahmens.

Erschwinglicher (ab ca. 120,- €) ist der Thymio, der an der ETH Lausanne entwickelt wurde. Er besitzt etliche Sensoren, Aktoren und Steuerungselemente. Programmiert wird er mit Aseba (VPL ist eine grafische Variante dazu) oder Blockly. Er lässt sich in umfangreichere Konstruktionen einbauen, wie ein Pendel, einen Kran oder einen Laufroboter. Ein ähnliches Konzept verfolgt der Finch Roboter (ab 99.00 $), ebenfalls mit Sensoren und LEDs ausgerüstet. Ein Alleinstellungsmerkmal des Finch ist sicher die Unterstützung von mehr als einem Dutzend Entwicklungsumgebungen, darunter Scratch und Snap!, aber auch Java, Python und Processing. Finch kann auch mit dem Raspberry Pi gekoppelt werden, wobei sich mir die daraus erwachsenden Möglichkeiten noch nicht erschlossen haben.

Zwischen Spielzeug und Unterrichtswerkzeug anzusiedeln ist wohl der Ozobot (von der PH Schwyz gibt es dazu Projektideen). Das ist ein winziger (golfballgrosser) Roboter mit Sensoren, der farbigen Linien folgen kann. Ab der Version 2.0 lässt sich der Ozobot mit der visuellen Programmiersprache OzoBlockly steuern.

In die gleiche Richtung zielen Dash & Dot. Auch bei diesen kleinen Robotern (Dash mobil, Dot stationär) mit Sensoren, Mikro, Lautsprecher und LEDs steht der Spielaspekt im Vordergrund, der aber zum Programmieren mit verschiedenen Anwendungen, darunter Blockly, führen soll.

Abschließend möchte ich noch auf Produkte in der Pipeline hinweisen, d.h. solche, die sich noch in der Entwicklung bzw. in der Phase des Crowdfunding befinden.

Mit Robo Wunderkind hat ein weiteres Baustein-System über die Crowdfunding-Plattform kickstarter Marktreife erreicht. Auch hier werden die Komponenten (15 verschiedene Sensoren und Motoren) über ein Stecksystem zusammen gefügt. Programmiert wird über eine grafische Oberfläche. Das Konzept liegt damit allerdings ziemlich nahe an dem von Tinkerbot.

Vom Wyss Institut in Harvard wird Root entwickelt, ein Roboter, der sich horizontal und – dank Magneten – vertikal auf metallenen Whiteboards bewegen kann. Er kann nicht nur zeichnen, sondern seine Spuren auch wieder löschen. Er ist ausgestattet mit Sensoren, Farbscanner, Licht- und Tonausgabe sowie einem Erweiterungsanschluss für Hardware-Ergänzungen. Programmiert wird mit Square, sowohl mit Grafikblöcken oder mit herkömmlicher textueller Programmierung. Das Konzept klingt interessant, das Produkt gehört aber nicht zu den billigen Varianten (er soll ca. 200,- $ kosten, Vertriebspartner werden noch gesucht).

Schwer einordnen kann ich die Poppy-Plattform, die Open-Spource Werkzeuge für die Entwicklung von Robotern bereit stellt. Gedacht ist sie für Forscher, Künstler und eben auch Lehrer, d.h. unterrichtliche Anwendungen. Der Poppy Humanoid (ähnelt dem o.g. NAO) scheidet da aus Kostengründen (ca. 9.000 €) wohl aus, ebenso der Poppy Torso ( ca. 5.000 €). Noch in Entwicklung befindet sich der Poppy Ergo Jr, ein Roboterarm mit sechs Freiheitsgraden, der ca, 300,- € kosten wird. Alle Poppy-Varianten werden wird mit der Python-Variante Pypot programmiert; mit Poppy-spezifischen Blocks geht die Steuerung auch mit Snap!

antboAus dem bisherigen Rahmen fällt Antbo, ein Insektenroboter, dessen Crowdfunding noch bei Indiego läuft. Der Selbstbausatz soll sprachlich oder über eine Antbo App auf dem Smartphone steuerbar oder mit WhenDo bzw. Scratch grafisch programmierbar sein. Mit seinen Erweiterungsmöglichkeiten und seiner Lernfähigkeit dank 30 „Neuronen“ ist der Antbo sicher ein Roboter der etwas anderen Art und mit geplanten 70 $ Verkaufspreis sogar erschwinglich. (Photo: DFRobot | YouTube)

Fazit: Bleibt am Ende die Qual der Wahl zwischen den vielen Alternativen. Entscheidend ist der geplante Kontext, sei es im Unterricht oder bei privaten Anwendungen. Für welche Altersgruppe? Wie flexibel muss der Roboter sein? Werden Sensoren gebraucht? Soll er Zeichnen können? Wie ist er programmierbar? Natürlich kann auch der Preis zum Ausschlusskriterium werden. Bei den Bausätzen ist immer der entsprechende Mehraufwand bis zur Inbetriebnahme einzurechnen – und auch ein wenig Geschick bei Aufbau, Test und Kalibrierung.

Vermutlich ist meine Zusammenstellung unvollständig. Für Hinweise auf weitere Produkte bin ich deshalb dankbar.