Category Archives: Jochen Robes

11Apr/24

New Learning geht mit Lernkultur besser

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Eine interessante Studie, die im Kern folgende Frage beantworten will: Wie beeinflusst die Lernkultur eines Unternehmens das Wahrnehmen von Lerngelegenheiten? Um zu dieser Frage zu gelangen, muss man sich als Leser:in mit verschiedenen Konzepten auseinandersetzen:
– „New Learning“ (das die Autoren sehr offen als „eine Kombination von drei verschiedenen Lernformen: formalem, informellem und selbstreguliertem Lernen“ beschreiben);
– das „Wahrnehmungspotenzial für Lerngelegenheiten“ (oder: „Learning Opportunities Perception Potential“, LOPP);
– die Lernkultur eines Unternehmens.

Die Autoren wollten nun wissen, ob der LOPP wirklich mit der Wahrnehmung von Lerngelegenheiten zusammenhängt und ob bzw. wie die Lernkultur eines Unternehmens diesen Zusammenhang beeinflusst. Dafür wurden 129 Personen mehrmals befragt. Die Ergebnisse: „… bei stark ausgeprägter Lernkultur [werden] stets viele Lerngelegenheiten wahrgenommen, und zwar unabhängig davon, ob die Person ein niedriges oder ein hohes LOPP mitbringt. … Bei gering ausgeprägter Lernkultur haben allerdings Personen mit einem hohen LOPP einen Vorteil gegenüber Personen mit einem niedrigeren LOPP, da sie signifikant mehr Lerngelegenheiten wahrnehmen können. Lernkultur hat somit einen kompensatorischen Effekt auf den Zusammenhang zwischen LOPP und wahrgenommenen Lerngelegenheiten.“ (S. 34)

Daraus leiten die Autoren schließlich zwei Empfehlungen ab: „1. Schafft eine positive Lernkultur!“ und „2. Schafft individualisierte Lernangebote!“

Die Studie ist nicht nur thematisch interessant. Sie ist in meinen Augen auch typisch für viele empirische Versuchsanordnungen im Hochschulumfeld: sehr komplex, sehr individuell, sehr pragmatisch. Dazu gehören auch viele Unschärfen und Lücken in der Darstellung, die entweder dem knappen Raum des Artikels oder der Versuchsanordnung selbst geschuldet sind.
Timo Kortsch, Julian Decius und Hilko Paulsen, Wirtschaftspsychologie aktuell, 4/ 2023, Dezember 2023 (via ResearchGate)

10Apr/24

Wikimedia: „Digitalpolitik muss das Gemeinwohl fördern“

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

„Digitales Wissen gerechter gestalten“ heißt es im Vorspann dieses Interviews mit Christian Humborg über die Rolle von Wikipedia und die Aufgaben der Wikimedia Deutschland. Leider werden die Themen nur kurz angerissen, denn ich würde zum Beispiel gerne mehr darüber wissen, wie sich die Wikimedia gerade mit den aktuellen Entwicklungen der KI auseinandersetzt. Aber hier noch ein Abschnitt aus dem Interview, den ich mir markiert habe:

Das Internet galt anfangs als demokratiefördernd. Heute wissen wir: Es gab Geburts­fehler, die falsch eingeschätzt wurden. Was können wir in Bezug auf aktuelle Entwicklungen davon lernen?

Ich würde nach wie vor die These vertreten, dass das Internet demokratie­fördernd sein kann. Aktuell sind wir in einer Situation, in der Emotionen und Empörung im Netz zu Interaktion führen und diese wiederum zu Werbe­einnahmen. Das ist die Logik von Unternehmen, natürlich auch von Big Tech. Das ist grund­sätzlich nicht verwerflich. Aber dadurch, dass Emotionen zur Währung wurden, ergibt sich die heutige Markt­dynamik. Wir sollten uns überlegen, ob wir dieses System wollen oder eher eines, in dem der gepflegtere Diskurs anstelle der Schreierei belohnt wird. Das gilt auch für Entwicklungen bezüglich KI.“
Elisabeth Krainer, AufRuhr, 21. März 2024

Bildquelle: Oberon Copeland @veryinformed.com (Unsplash)

09Apr/24

Überrumpelt. ChatGPT an Hochschulen

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Auch wenn man nicht Teil des Ökosystems „Hochschule“ ist, kann man diesen Artikel mit Gewinn lesen. Denn Christian Füller, der Autor, spart wie immer nicht an schönen Sprachbildern und Zuspitzungen. Der Titel deutet an, wo es langgeht: Da gibt es seit dem November 2022 ChatGPT und jede/r nutzt es, jede/r sieht oder ahnt, dass es die bestehende Lern- und Prüfungskultur an Hochschulen umkrempelt, aber in den Ministerien, Gremien und Hochschulen bewegt man sich nur zögerlich.

Der Beitrag versammelt Meinungen und Zitate, zitiert aus Stellungnahmen und zählt einige Projekte auf, in denen das Thema aufgenommen wird. Im Kern geht es aber um fehlende Regelungen und klare Empfehlungen, die den Beteiligten Orientierung und Richtung aufzeigen. Sie stehen wahlweise für ein „Verschlafen“ oder „Aussitzen“: „Das Problem der Hochschulen scheint zu sein, dass sie den sogenannten iPhone-Moment, den ChatGPT für die Erkenntnis-Produktion bedeutet, noch nicht als solchen realisiert haben.“ (S. 28) Oder, auch schön: „Künstliche Intelligenz trifft auf Humboldt’sche Universität“.
Christian Füller, DSW Journal (Das Magazin des Deutschen Studierendenwerks), 1/ 2024, S. 24-29 (pdf)

08Apr/24

Toolification – Die Ambivalenz digitaler Applikationen

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Ich habe am Wochenende einmal durch die aktuelle Ausgabe des fnma-Magazins geblättert. Es geht um „Toolification“, also den Tooleinsatz in der Lehre, und die wichtigsten Stationen der Tool-Debatte bzw. -Geschichte hat Tanja Jadin bereits im Editorial versammelt: „Tools, Tools, Tools oder „und täglich grüßt das Murmeltier …“; „Was kommt zuerst – die Technik oder die Didaktik? …“; „Erinnern wir uns zurück, als die Ära von Web 2.0/Social Software angebrochen ist …“; „die gute alte Mediumdebatte …“; „wie der digitale Medieneinsatz lernförderlich sein kann …“.

Mit diesem Rüstzeug ist man auf die Fallbeispiele und Berichte des Magazins gut vorbereitet. Stichworte sind unter anderem die Hamburg Open Online University (HOOU), Peer Feedback in Moodle, Digital Literacy in der Lehrer:innenbildung, OERhub, Death by PowerPoint und natürlich KI-Tools. Kurz: eine bunte Zusammenstellung.
fnma Magazin, 01/ 2024, 22. März 2024

05Apr/24

KI oder Kreide im Hörsaal – so digital sind Deutschlands Hochschulen

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Der Bitkom, also der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, hat rund 500 Studierende online zur Digitalisierung an Hochschulen befragt. Auf der einen Seite, heißt es, hat Corona den Hochschulen einen Digitalisierungsschub verliehen, auf der anderen Seite steht mit der Künstlicher Intelligenz die nächste Herausforderung. Digitalisierung und KI bestimmen auch den Rahmen der Fragen. Die Ergebnisse sind mit folgenden Kapitelmarken überschrieben:

„- Großteil der Studierenden nutzt KI – aber nur rund ein Drittel hat Regeln …
– 7 von 10 wünschen sich mehr Digitalisierung und Nutzung digitaler Technologien …
– Präsenz plus online: Hybride Lehrveranstaltungen sind der Favorit …
– Viele Services online – viele Prüfungen weiter analog …
– Lehrpersonal ist aufgeschlossen – braucht aber teilweise zusätzliches Knowhow …“

Das deckt sich weitgehend mit meinen Erfahrungen an der Hochschule Darmstadt. Gerade in administrativen Bereichen könnte die Digitalisierung noch vieles vereinfachen und verschlanken (Stichwort „Effizienz“). Meist sind es veraltete Verwaltungsrichtlinien und Prüfungsordnungen, die nur mit großem Zeitverzug angepasst werden. Beim Stichwort „hybride Lehrveranstaltungen“ muss ich etwas schmunzeln. Ich habe da Studierende vor Augen, die gerne spontan entscheiden möchten, wie und wo sie an Veranstaltungen teilnehmen. Flexibilisierung schlägt dann Didaktik …
Merle Wiez, Leah Schrimpf und Nora Rohr, Bitkom/ Presseinformation, 21. März 2024

Bildquelle: Bitkom

05Apr/24

Warten auf den nächsten Quantensprung

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Niels Pinkwart, Direktor des Educational Technology Lab am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), darf hier noch einmal einige Fragen zur Künstlichen Intelligenz im Allgemeinen und zur KI im Bildungsbereich im Besonderen beantworten. Die Zukunft sieht er, und damit steht er nicht allein, vor allem in KI-gestützten adaptiven tutoriellen Lernsystemen, die Lernenden individualisierte Lernwege und Lernangebote bereitstellen. Und der nächste Quantensprung?

Niels Pinkwart: „Ich glaube, irgendwann werden individuelle KI-basierte Lernbegleiter Normalität sein – ob in Form einer App auf dem Handy, eines Augmented Reality Schulbuchs oder sogar von Robotern. Die Interaktion mit unseren Bildungsmedien wird insgesamt vielfältiger werden. Das didaktische Setting, bei dem eine Lehrperson einer Lerngruppe vor Ort denselben Inhalt vermittelt, wird künftig noch mehr als bereits heute nur eine von vielen Möglichkeiten sein. Es wird auf jeden Fall spannend zu sehen, welche Aufgaben im Lernprozess wir an Technologie outsourcen werden, und welche wir bewusst den Menschen und ihrem sozialen Miteinander vorbehalten.“
Vincent Hochhausen, Gespräch mit Niels Pinkwart, bildungsklick, 2. April 2024

Bildquelle: Gerd Altmann (pixabay)

04Apr/24

#clc10 Neustart geglückt!

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Die Berliner Sektion der Corporate Learning Community hatte im März nach längerer Pause wieder eingeladen, und 50 Teilgebende waren dem Ruf gefolgt. Das Thema des Abends lautete „KI für das lebenslange Lernen!?!“ An fünf Tischen wurden im World Cafè-Format die folgenden Fragen diskutiert:

„1. Welche KI-bezogenen Fähigkeiten sind am Arbeitsplatz von morgen unverzichtbar, und wie können Unternehmen deren Entwicklung fördern?
2. Welchen Einfluss hat KI auf die Entwicklung und Schulung von Führungskräften in Unternehmen?
3. Welche Gründe gibt es, auf den Einsatz von KI im Corporate Learning zu verzichten?
4. Wie kann KI bei der Analyse des Lernverhaltens unterstützen und so die Bereitstellung personalisierter Lernpfade ermöglichen?
5. Wie müssen sich Lern- und Entwicklungsstrategien in Unternehmen anpassen, um den durch KI beschleunigten Veränderungen gerecht zu werden?“

Alle weiteren Details finden sich in der Zusammenfassung von Johannes Starke.
Johannes Starke, Corporate Learning Community/ Blog, 2. April 2024

Bildquelle: Johannes Starke/ CLC

04Apr/24

E-Learning im Aufschwung

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Der Titel täuscht etwas, denn das Sonderheft des DIGITAL PUBLISHING REPORTs nimmt den „Mega-Trend E-Learning“ nur als Klammer. Die 16 Beiträge haben natürlich einen KI-Schwerpunkt. Aber gerade die einleitenden Artikel nehmen – mit unterschiedlichen Schwerpunkten –  breite Entwicklungen in Corporate Learning auf. So stellt Werner Sauter die Learning Experience Plattform als „eine KI-gesteuerte Lern- und Arbeitsumgebung“ vor, „die konsequent aus dem Blickwinkel der Lernenden gestaltet wird und personalisierte, selbstorganisierte Lernerlebnisse ermöglicht“. Und Daniel Stoller-Schai zeigt auf, wie man sich in sechs Schritten („Learning Loop“) der Entwicklung einer nachhaltigen Lernkultur nähert.

Aus: Werner Sauter: „Future Learning“, dpr E-Learning 2024, S. 14

Stichworte der weiteren Beiträge dieses Sonderhefts: Kurzvideos, Gamification & Serious Games, Metaverse & VR, digitales Storytelling und immer wieder KI. Und auch die LEARNTEC im Juni hinterlässt im Heft kräftige Spuren.
DIGITAL PUBLISHING REPORT, April 2024

03Apr/24

Lernen in Unternehmen. Formal, informell, selbstreguliert

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Ich habe die Ostertage genutzt, um wieder einmal ein Fachbuch ganz zu lesen. Meine Wahl fiel auf „Lernen in Unternehmen“, das gerade im Hogrefe Verlag erschienen ist und über das ich auf LinkedIn in den letzten Tagen immer wieder gestolpert bin. Die Autoren sind mir nicht ganz unbekannt, da sie in letzter Zeit immer wieder über aktuelle Themen der betrieblichen Bildung publiziert haben. Timo Kortsch ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der IU Internationale Hochschule, Julian Decius leitet das Arbeitsgebiet Organisationspsychologie im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft an der Universität Bremen und Hilko Paulsen ist Leiter der Personal- und Organisationsentwicklung bei der Region Hannover (so der Klappentext).

Das Buch „Lernen in Unternehmen“ will einen kompletten Überblick über das arbeitsbezogene Lernen bieten, was ihm aus meiner Sicht auch gelingt. Es ist fokussiert und komprimiert (172 Seiten), sehr anschaulich, mit vielen Schaubildern und Aufstellungen, geschrieben. Die Autoren bilden im Rückgriff auf Metaanalysen und internationale Fachliteratur einen wissenschaftlichen Diskussionsstand ab, ohne sich in Details zu verlieren. Das Buch können so auch Praktiker mit Gewinn lesen, die sich kurz über einen Prozessschritt oder eine Methode in der Weiterbildung informieren wollen.

Zum Inhalt des Buches

„Lernen in Unternehmen“ ist sechs Kapitel gegliedert. Im ersten Kapitel („Lernen in Unternehmen“) wird das Feld abgesteckt: Was versteht man unter „Lernen in Unternehmen“ bzw. „arbeitsbezogenem Lernen“? Wie steht es um die Weiterbildung in Deutschland? Welchen Nutzen verspricht man sich vom arbeitsbezogenen Lernen?

Im zweiten Kapitel („Arbeitsbezogenes Lernen in Unternehmen – Modelle und Befunde“) legen die Autoren ihren Referenzrahmen bzw. ihren Blick auf das Lernen dar, in dem sie Antworten auf drei Fragen geben: Wozu wird in Unternehmen gelernt? Wie wird in Unternehmen gelernt? Wie lässt sich das Lernen in Unternehmen fördern? Die erste Frage beantworten sie mit einem Verweis auf Kompetenzen bzw. Kompetenzmanagement schnell und kurz. Bei der Antwort auf die zweite Frage – Wie wird in Unternehmen gelernt? – nehmen sie sich Zeit. Denn sie bildet den zentralen methodologischen Ordnungsrahmen ihres Buches.

Die Autoren unterscheiden zwischen formalem Lernen, informellem Lernen und selbstreguliertem Lernen. Über das „formale Lernen“ heißt es: „Formales Lernen ist eine Lernform mit hoher Strukturierung in Bezug auf den Lernkontext, die Lernunterstützung, die Lernzeit und die Lernziele.“ (S. 16) So weit, so gut. Interessanter wird die nächste Abgrenzung: „Informelles Lernen ist ein bewusster, von der lernenden Person gesteuerter Prozess, der eine Arbeitshandlung oder eine Problemlösung zum Ziel hat – im Gegensatz zum formalen und selbstregulierten Lernen, bei dem das Lernen das Ziel ist.“ (S. 17) Das klingt erst einmal plausibel. Und einige Seiten später wird weiter  konkretisiert: „Im Unterschied zum formalen Lernen übernimmt die lernende Person – nicht die Lehrperson – im selbstregulierten Lernprozess die primäre Verantwortung für die Zielsetzung, die Umsetzung geeigneter Lernstrategien und die Bewertung der Lernergebnisse.“ (S. 35)

Soweit die wichtigen Abgrenzungen. Die Autoren unterfüttern vor allem das informelle Lernen noch mit weiteren Stichworten (z.B. 70-20-10-Formel, Oktagon-Modell), um anschließend sieben Lerndimensionen an die Hand zu geben, mit deren Hilfe sich Lernformen unterscheiden und einordnen lassen. Verschiedene Praxisbeispiele sollen im Anschluss verdeutlichen, wann und wo uns diese Lernformen im Arbeitsalltag begegnen – in Reinform oder als Hybride.

Die Antwort auf die dritte Frage („Wie lässt sich das Lernen in Unternehmen fördern?“) führt die Autoren zu Fragen der lernförderlichen Arbeitsgestaltung, aber vor allem zu lesenswerten Ausführungen zur Lernkultur bzw. zum Lernklima einer Organisation. Das beinhaltet auch Hinweise auf konkrete Instrumente, um die Lernkultur einer Organisation zu erheben.

Das (kurze) dritte Kapitel „Der Personalentwicklungszyklus – bei formalem, informellem und selbstreguliertem Lernen“ führt die Prozessschritte „Bedarfsanalyse“, „Planung“, „Durchführung“ und „Evaluation“ ein. Im vierten Kapitel („Vorgehen und Methoden“) werden diese Prozessschritte weiter  ausgeführt. Erwähnenswert ist hier vor allem das Kapitel 4.3 („Methoden zur Förderung des Lernens“), in dem acht Methoden ausführlicher und weitere Methoden im Überblick vorgestellt werden: „In diesem Kapitel werden einige relevante Methoden detaillierter beschrieben, die die Bandbreite von Lern- und Arbeitsmethoden widerspiegeln – von eher klassischen Methoden wie Simulationen bis zu modernen Methoden wie Mobile Learning, von weniger aufwendigen wie After Action Review bis zu komplexen Großgruppenmethoden wie Barcamps …“ (S. 75)

Gerade um sich einen Überblick zu verschaffen, sind diese Seiten sehr informativ und nützlich. Allerdings konnte ich keinen „roten Faden“ entdecken: Was unter einer „Methode“ verstanden wird, wird nicht näher erläutert; kleine Methoden stehen neben großen Methoden. Und erst in der abschließenden tabellarischen Übersicht wird zwischen „klassischen“ sowie „agilen und digitalen Lern- und Arbeitsmethoden“ unterschieden. Um nicht missverstanden zu werden: Die Auflistung ist umfassend und nachvollziehbar und es war vor allem meine Neugier, die hier nach Struktur gesucht hat.

Das fünfte Kapitel des Buches versammelt neun Fallbeispiele aus der Unternehmenspraxis – von „5.1 TechUcation bei der Otto Group“ bis „5.8 Organisationale Transformation mit Lernbegleitung und Barcamps bei DATEV“. Jedes Fallbeispiel wird ausführlich vorgestellt, zum Teil mit Schaubildern oder Screenshots illustriert und abschließend in dem methodischen Rahmen des Buches zwischen formal, informell und selbstreguliert verortet.

Im abschließenden sechsten Kapitel („Fazit und Ausblick“) fassen die Autoren die Fallbeispiele zusammen und zeigen an sieben Punkten auf, „in welche Richtung sich das arbeitsbezogene Lernen in Unternehmen zukünftig entwickelt“ (S. 155). So lesen wir, dass das Lernen „partizipativer“, „differenzierter“, „individueller“, „offener“ und „experimenteller“ wird. Das Nebeneinander von formalem, informellem und selbstreguliertem Lernen, so die Autoren, bleibt bestehen.

Was mir aufgefallen ist

  • Die Unterscheidung in formales, informelles und selbstreguliertes Lernen ist pragmatisch und überzeugend. Natürlich lässt sich auch darüber im Sinne von „Was ist eigentlich, wenn …?“ lange und trefflich diskutieren. Gerade bei der Einordnung der Fallbeispiele weisen die Autoren aber selbst darauf hin, „dass Lernformen in der Praxis selten in Reinform vorliegen“ (S. 124).
    Vielleicht bietet sich an anderer Stelle einmal die Gelegenheit, Themen wie „Performance Support“ oder Stichworte wie „selbstorganisiert“ und „selbstgesteuert“ aufzunehmen. Im Buch fand ich es angenehm, auf solche Details und Diskussionen zu verzichten.
  • Es fällt auf, dass der Digitalisierung unserer Arbeits- und Lernwelten im Buch keine herausragende Rolle zufällt. Stattdessen wird relativ neutral versucht, das Spielfeld arbeitsbezogenen Lernens abzustecken. Nun darf man vermuten, dass das Buch parallel zum aktuellen Hype um Künstliche Intelligenz bzw. ChatGPT geschrieben wurde. Während wir also Anfang 2024 über die KI als „Game Changer“ in Bildung und Lernen lesen dürfen, konstatiert das Buch: „Lernen in Unternehmen verändert sich hin zu einem Mix aus digitalen und analogen Lernangeboten, die oft nach individuellen Bedürfnissen genutzt werden können.“ (S. 156) Das ist angenehm nüchtern. Oder mutig!?
  • Natürlich hat das Buch auch Leerstellen. Hier also einige Themen, die ich bei der Lektüre vermisst habe oder die ich mir ausführlicher hätte vorstellen können. Auf fehlende technologische Entwicklungen wie die „Künstliche Intelligenz“ habe ich schon hingewiesen. Weitere Leerstellen bilden zum Beispiel „Future Skills“, „Lernende Organisationen“ und „Wissensmanagement“. Vielleicht hätte ein weiteres einleitendes Kapitel diese Stichworte und Diskussionen kurz aufnehmen können …Auch die Frage „Wie ist das Lernen in Unternehmen organisiert?“ (und die entsprechenden Antworten) habe ich vermisst. Das beginnt bei den Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Aufgaben entsprechender Bildungsbereiche. Dann die Organisation der Bildungsprozesse selbst. Und schließlich die Ressourcen, die es zur Umsetzung vieler (formaler) Lernangebote braucht. So fällt das Stichwort „Learning Management System“ kein einziges Mal.
  • Wenn man das Lernen in Unternehmen beschreibt, sich am Personalentwicklungszyklus orientiert und Methoden zur Förderung des Lernens vorstellt, steht natürlich immer die organisationale Perspektive im Vordergrund. Vielleicht wäre es, auch um die Bedeutung des selbstregulierten Lernens zu unterstreichen, interessant gewesen, zumindest die Fallbeispiele um die Perspektive der Mitarbeitenden zu ergänzen: zum Beispiel durch einzelne Interviews oder eine Gruppendiskussion mit Lernenden.

Das alles ändert aber nichts an meiner Kauf- bzw. Leseempfehlung!

Timo Kortsch, Julian Decius, Hilko Paulsen (2024): Lernen in Unternehmen. Formal, informell, selbstreguliert. Praxis der Personalpsychologie, Band 43, Hogrefe Verlag: Göttingen

02Apr/24

Die Risiken im digitalen Skill Management

Quelle: Weiterbildungsblog Autor: jrobes

Ich muss zugeben, dass ich den ersten Teil dieses Artikels sehr schnell gelesen habe. Hier werden, Absatz für Absatz, Namen, Studien und Definitionen von Future Skills vorgestellt. Im letzten Teil, überschrieben mit „Die Tücken beim Skill Management“, finden sich interessante Hinweise darauf, dass Theorie und Praxis an vielen Stellen noch auseinanderfallen: es mangelt, so wird berichtet, zum Beispiel an Unternehmen, die bereits systematisch Skill Management betreiben; die Skill Management-Systeme selbst haben noch Schwächen; Kompetenzprofile der Mitarbeitenden sind nicht aktuell; wichtige Persönlichkeitsmerkmale bleiben oft unberücksichtigt.

„Immer mehr Skills, immer mehr Prognosen, immer mehr Softwareangebote: Das Skill Management dominiert die Debatten. Dabei bleiben aber einige Fakten und Risiken unbeleuchtet – angefangen bei ungenauen Begrifflichkeiten bis hin zu überschätzten Future Skills.“
Gudrun Porath, Haufe.de, 26. März 2024

Bildquelle: Guille Álvarez (Unsplash)